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Hüpfen verboten! Ein Traditionsclub in Nöten

So mancher Fan des 1. FC Magdeburg mag sich im vergangenen Fußball-Sommerloch verwundert die Augen gerieben haben, angesichts einer kuriosen Meldung, die durch die Gazetten geisterte und anfängliches ungläubiges Staunen hervorrief. So war auf der Vereinsseite unter der Überschrift „Hüpfen, bis der Statiker kommt“ zu lesen, dass beim gleichzeitigen rhythmischen Hüpfen der Fans auf den Rängen die Tribünen in baustatisch gefährliches Schwingen von bis zu drei Zentimeter großen Amplituden geraten. Daher wurde jenes Fanverhalten untersagt.

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Hüpfen verboten! Ein Traditionsclub in Nöten
Foto: MDCC-Arena (Foto Huebner)
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Seit Jahren verkanntes Problem

Wie weiter nachzulesen, ist sich der Verein des Risikos eines Einsturzes schon seit längerem bewusst. Die Stadt Magdeburg als Stadioneigentümer hatte mit hochsensiblen Messgeräten festgestellt, dass sich bei anhaltendem Fanverhalten in diesem Maßstab die Dauerfestigkeit zeitlich erheblich verkürzen würde. So gab Heinz Ulrich vom Kommunalen Gebäudemanagement der Landeshauptstadt auf der Vereinsseite zu bedenken, dass rein rechnerisch eine verbleibende Standzeit von etwa siebeneinhalb Jahren ermittelt worden sei. Gerechnet hatte man bei der im Dezember 2006 eröffneten Arena ursprünglich mit rund 50 Jahren.

Die MDCC-Arena

Betrieben von der Messe- und Veranstaltungsgesellschaft Magdeburg GmbH (MVGM) ist die MDCC-Arena seit dem 10. Dezember 2006 die Heimspielstätte des Clubs. Das Resultat des rund 31 Millionen Euro teuren Bauprojekts ist seitdem an historischer Stelle des ehemaligen Ernst-Grube-Stadions zu erleben. Aus statisch bedingten Sicherheitserwägungen wird die Kapazität der 27.000 Zuschauer fassenden Arena nicht voll ausgelastet, indem einzelne Blöcke abgesperrt werden und leer bleiben. In der 2009 nach dem Namen des Magdeburger Telekommunikationsanbieters MDCC umbenannten Spielstätte werden zurzeit vor allem Fußballspiele abgehalten.

Positiver Aufwärtstrend

So bildete das Stadion stimmungsvolle Heimkulisse einer jüngsten Erfolgsgeschichte des Vereins aus den Niederungen des Amateurfußballs in die höheren Weihen des bezahlten Profifußballs. Nach dem Tiefpunkt 2002, als der FC ein Insolvenzverfahren verbunden mit einem Zwangsabstieg in die Regionalliga einleiten musste, durfte sich der Traditionsclub 13 Jahre später unter Aufstiegstrainer Jens Härtel über den sensationellen Wiederaufstieg in die dritte Liga und die Rückkehr in den bezahlten Fußball freuen. Wer jetzt erwartet hatte, dass der FC erst einmal die darauffolgende Saison benötigen würde, um sich weiter zu konsolidieren und zunächst um den Klassenerhalt spielen würde, sah sich getäuscht. Nach insgesamt positiven Leistungen in der Hinrunde konnte sich das Team bis zur Winterpause dauerhaft im oberen Drittel festsetzen und belegte zur Winterpause nach dem 21. Spieltag sogar den für viele überraschenden vierten Tabellenplatz. Mehr noch: Nach der Winterpause drehte das Team erst so richtig auf und konnte sich nach Siegen über Halle, die Stuttgarter Kickers und Rostock sogar Hoffnungen auf einen direkten Durchmarsch in Richtung Liga zwei machen. Der zwischenzeitlich vierte Tabellenplatz knapp hinter Osnabrück gab Anlass zum Optimismus. Nur zwei Zähler fehlten zwischenzeitlich zum erträumten Relegationsplatz.

Ein folgenschwerer Knick in der Leistungskurve

Scheinbar von der greifbaren Chance psychisch überfordert und gelähmt, erlitt die Mannschaft um Coach Jens Härtel einen Bruch in einer bislang überragenden Saison, der so zu keinem Zeitpunkt erwartet worden war. 29 Spiele lang hatte der 1. FC Magdeburg über weite Strecken wie aus einem Guss gespielt– genau solange, bis die 45 Punkte, die schon vor der Spielzeit als ausreichend für den Klassenerhalt proklamiert worden waren. Zu diesem Zeitpunkt überraschend und unerwartet hagelte es fortan Niederlagen gegen Cottbus, Kiel, Aue und Würzburg. Die Saison wurde zwar mit einem hervorragenden, aber letztlich undankbaren vierten Tabellenplatz abgeschlossen.
So konnte Mario Kallnik, Geschäftsführer des 1. FC Magdeburg, vor der aktuellen Spielzeit große Kontinuität in der Personalplanung verkünden. Ende Mai wurde schon mit 18 Spielern aus dem bisherigen Kader weiter geplant, nur einige wenige vakante Positionen bereiteten dem Management noch kleineres Kopfzerbrechen. Auf ihre eigene Art zog die Vereinsführung allerdings Konsequenzen aus den Erfahrungen aus dem unglücklichen Verlauf in der Rückrunde…

Neuer Mentalcoach und Merchandising

So entschied sich der Vorstand für eine Verpflichtung des 39-jährigen Extremsportlers und prominenten Diplompsychologen Matthias Herzog, der bislang vor allem durch seine Beratertätigkeit für einige große Konzerne auf sich aufmerksam machen konnte. Neben Mercedes-Benz befindet sich noch ein weiterer Großkonzern in seinem Beratungsportfolio, der mit seinen Produkten für besonders schnelles Fortbewegen auf dem grünen Rasen sorgen soll: Die Rede ist von den adidas Fußballschuhen des in Herzogenaurach beheimateten Sportartikelherstellers, dessen Produkte auch im Fanartikel-Shop des Vereins vertreten sind und für den jüngsten Merchandising-Boom mitverantwortlich sind. So ist der Umsatz seit dem Aufstieg in der letzten Saison sprunghaft angestiegen. Eigenen Aussagen zufolge sind gerade die Trikots von Christian Beck, Marius Sowislo und Felix Schiller der Renner. Dabei lag der Club noch vor wenigen Jahren am Boden, für Fanartikel interessierte sich kaum einer.

Neueste Messungen

Eigentlich hätte jetzt doch mit der Neuverpflichtung des Promi-Psychologen und den überwiegend positiven Erfahrungen der letzten Saison im Rücken alles erfolgversprechend weiter verlaufen können, hing und hängt den Verantwortlichen wie dem gesamten Vereinsumfeld da nicht das drohende Damoklesschwert eines befürchteten Tribünenzusammenbruchs über den Köpfen. Das Problem, auf das erstmalig im vergangen Frühjahr durch verstärkte mediale Präsenz auch eine breitere Öffentlichkeit aufmerksam wurde, entwickelt sich zum Dauerthema: Da das Risiko und die damit verbunden möglichen Schäden wohl größer als bislang befürchtet sein sollen, forderte die Stadt Magdeburg als Eigentümerin des Heinz-Krügel-Stadions die Fans des 1. FC Magdeburg vor wenigen Tagen vehementer als bisher auf, nicht mehr im Block U zu hüpfen - eine wohl einmalige Forderung für eine Fankurve.

Neuerliche Befürchtungen gingen aus ersten Ergebnissen einer baudynamischen Untersuchung hervor, bei der während des Heimspiels am 5. November 2016 Messungen an der Nordtribüne (Block 3 – 6) durchgeführt worden waren. Die mit den Messungen beauftragte Ingenieursfirma hatte während der Partie gegen FC Hansa Rostock aufgrund der hüpfenden Stadionbesucher Beschleunigungen von 5 m/s² festgestellt. Die Werte hätten deutlich die Panikgrenze (Gefühl, angesichts tatsächlicher oder angenommener Gefahr, fliehen zu müssen) von 3,0 bis 3,5 m/s² überschritten.
Am 16. Spieltag hatte Magdeburg dann wegen Statik-Problemen sogar ein Spiel ohne Fans gedroht. Nach mehrstündigen Gesprächen zwischen der Stadtverwaltung, dem Verein und Fanvertretern Freitag durfte das Derby unter Auflagen dann aber doch mit Zuschauern ausgetragen werden – wie lange noch?

Sportlich nicht so recht auf Kurs

Parallel zu den Unwägbarkeiten und nicht enden wollenden Diskussionen zwischen Stadt, Vereinsführung und den anfänglich Uneinsichtigkeit demonstrierenden Fangruppierungen verlief der Saisonstart mehr als durchwachsen – vielleicht folgerichtig?
So sah sich Magdeburg nach dem sechsten Spieltag auf dem enttäuschenden ersten Abstiegsplatz mit einem drohenden Scheitern des Klassenerhalts konfrontiert. Stagnation war zwischenzeitlich angesagt, der Verein dümpelt im Mittelfeld vor sich hin. Erst die jüngsten Punktgewinne gegen Großaspach und Halle ließen nach längerer Durststrecke wieder aufhorchen.

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